| Ratgeber: HIT-Training, um schneller zu werden? | 
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| Intensives HIT-Training der Weisheit Schluss? Frage von Claudio aus Solothurn/CH: Hallo Herr Steffny, als laufbegeisterter Biologe (allerdings nach der Promotion in die Beratung abgewandert) hat mir Das grosse Laufbuch ausserordentlich gut gefallen. Grosse persönliche Erfahrung verbunden mit Empirie, didaktischem Geschick und Unterhaltungswert  vielen Dank! Vielleicht kann ich etwas zurück geben: in letzter Zeit war recht viel von High Intensity Training (HIT) zu lesen. Kennen Sie die dazu gemachte Konferenz der DSHS Köln und die dabei erstellten Consensusthesen? Im wesentlichen nichts entscheidend Neues, aber vielleicht doch ein Grund, Intervalltraining etwas mehr zu betonen? Meine persönliche Erfahrung damit war spannend: ich hatte nach 1.5 Jahren Lauftraining (41jährig, 2-3 mal Training pro Woche, 16-32 km/Woche) eine Halbmarathonzeit von 1:45 und einen Ruhepuls von 55. Im Januar habe ich zweimal pro Woche Intervalltraining gemacht (10 Min Einlaufen, 4 min 90-95% MaxHF bei 16 km/h, 3 min ca. 70% MaxHF bei 10 km/h, davon vier Wiederholungen, Auslaufen), also beide Trainingseinheiten unter der Woche HIT-Intervalltraining, zusätzlich dazu an 3 Wochenenden 20-28 km mit Puls 148-155. Innerhalb von nur vier Wochen ist mein Ruhepuls von 55 auf 50-51 gesunken (sowohl Ruhepuls vorher als auch aktueller Ruhepuls wurden unter konstanten Bedingungen und an mehreren Tagen gemessen)... das scheint mir doch eine grosse Verbesserung mit einem kleinen Aufwand (Nur ca. 9 Trainingseinheiten!). Für meinen Ende Oktober geplanten ersten Marathon (Luzern) werde ich sicher wie von Ihnen vorgesehen auch mehr lange Läufe einplanen, aber mir scheint, für meinen beruflich und privat bedingt sehr knappen Zeitrahmen (mehr als 3 Trainings pro Woche schwierig) kann ein recht grosser HIT-Anteil durchaus helfen. Oder sehen Sie das anders? So oder so würde ich mich freuen, wenn die Unterlagen interessant für Sie sind! Herzliche Grüsse, Claudio Antwort von Herbert Steffny: Hallo Claudio, Alter Wein in neuen Schläuchen? Das mit den neuesten
        Studien ist so eine Sache. Leider fallen viele
        (auch Medien) darauf rein und dann ist es groß im
        Gespräch. "4x4 Minuten reichen",
        so beispielsweise die Überschrift bei N24.de. "Das reiche für ein optimales
        Training" auch im Lauftraining aus, heißt es in dem
        dünnen und oberflächlichen Artikel weiter. Neue Studien
        kennt der Kaffee alle paar Monate, bei Diäten ist das
        ununterbrochen der Fall und in "Insiderkreisen"
        auch bei dieser HIT-Sensation! Vielleicht fehlt vielen
        zur Beurteilung auch der Erfahrungshintergrund von
        Jahrzehnten. Da wird alle Jahre wieder eine Sau durchs
        Dorf gejagt und oft ist es diesselbe! Zeitsparendes
        Wundertraining wie Sie hoffen oder vielleicht viel Tamtam
        um nicht allzuviel (wie Sie aber ebenfalls vermuten) oder
        anders gesagt "Alter Wein in neuen
        Schläuchen?" Es erinnert mich an die
        "Pseudo-Kriege" in den 60er und 70er Jahren
        zwischen der Van Aakenschen Dauerlaufmethode
        und der Freiburger (Reindell/Gerschler)
        Intervallmethode, was kam schließlich raus?
        Beides ist wichtig, in der richtigen Mischung und in der
        richtigen zeitlichen Abfolge. Gestritten hatten sich die
        Ärzte und Professoren. Die Trainer und Athleten waren
        schon viel weiter, allen voran damals der Neuseeländer Arthur
        Lydiard, ein Marathonläufer (2:39 Stunden),
        Autodidakt und Weltklassetrainer! Natürlich folgt im
        besten Falle auf einen (jahre)langen Vorbereitungsblock
        mit überwiegend aerobem Ausdauertraining später eine
        intensivere spezielle Wettkampfvorbereitung mit mehr
        wettkampfspezifischem Tempo und etwas weniger Umfang!
        Alles übrigens nachzulesen in dem Kapitel
        "Trainingssteuerung" in Das
        große Laufbuch. Das
        überblättern leider nicht wenige, statt es zu lesen,
        wenn man meine Trainingspläne wirklich verstehen will. Trotz Laktatmessung und Computer immer langsamer Die Autoren des
        HIT-Consensus Papiers behaupten sogar im Zusammenhang mit
        der "aktuellen Laktatdiskussion", dass
        allgemein nach ca. 8 Jahren die Hälfte des
        Wissens im naturwissenschaftlichen Bereich veraltet sei
        und geben sich selbst damit die Steilvorlage für ihr
        "brandneues" Thesenpapier. Da wird wohl ein
        wenig die Werbetrommel gerührt. Kann also auch heissen,
        dass viele alte Trainingserkenntnisse also noch zu den
        weiterhin gültigen anderen 50 Prozent Wissen gehören
        ;-))! Den Deutschen haben im Langstreckenlauf neue
        Weisheiten und bahnbrechende sportmedizinische
        Forschungen im Bereich Laktat- und Leistungsdiagnostik
        komischerweise in den letzten 20 bis 30 Jahren nicht
        wirklich viel gebracht, eher einen Rückschritt. "Die
        Deutschen messen Laktat wie die Weltmeister und die Welt
        läuft Ihnen davon!" so sagte es mir
        in Nairobi schon 1988 der kenianische Langstrecken
        Trainer Mike Kosgei. Leistungsdiagnostik wird bei uns zum
        Muss hochstilisiert, Stützsocken sollen Wunder wirken,
        es wird mit GPS gelaufen und
        High-Tech-Nahrungsergänzungsmittel geschluckt und der
        Durchschnitt der deutschen (britischen, amerikanischen
        usw....) 10.000m oder Marathon Eliteläufer wird
        immer schlechter als in den 70-90er Jahren.
        Schade, dass das "alte Wissen" mit den
        "alten Trainern" und im Dickicht des
        "High-Tech-Schnickschnack-Nebels" (und der
        daran verdienenden Sport- und Pharmaindustrie) verloren
        geht! Einer meiner Lieblingssprüche ist: "Während
        ein deutscher Athlet sein Training am Computer auswertet,
        ist ein Kenianer schon wieder eine Runde gelaufen!" Alter Hut: Mischtraining aus Dauerlauf und "HIT" Das wie in den Plänen in
        meinen Büchern vorgestellte Mischtraining ist
        seit Jahrzehnten spätestens seit Arthur Lydiard
        etabliert und wird in der Spitze auch längst so
        praktiziert. Geändert hat sich bis heute nicht viel. Im
        Zeitgeistwahn nur "neu ist besser" kokettieren
        dann Medien und Autoren damit, uns das nur unter anderem
        Namen als "Neueste Erkenntnisse" unterzujubeln.
        Manche Trainingsplaner versuchen alt etablierte
        Trainingsmittel einem wenig kundigen Publikum folglich
        als neue Superwaffe zu verkaufen. Da heißt
        beispielsweise das als "Crescendo"
        längst bekannte und eingeführte Training in der
        Marathonvorbereitung dann turbomäßig aufgepeppt "Endbeschleunigungslauf!"
        Wann kommt nun das Trainingsbuch nach der
        HI(I)T-Methode.....? Wieviel Prozent des Umfangs, nach
        einem ordentlichen und umfangreichen Training der
        Grundlagenausdauer, das Intervall- oder Tempotraining in
        einem Mischtraining einnehmen kann, ist pauschal gar
        nicht einfach zu sagen. Das meinen auch die
        Autoren des schwammigen HIT-Consensus-Papiers.
        Unter dem Druck (?) dann doch irgendwie eine Zahl nennen
        zu müssen, wird eine Untersuchung mit 20% Anteil HIT
        angeführt. Wenn das wirklich im anaeroben Bereich sein
        soll, ist das für Marathontraining barer Unsinn! Das ist
        doch klar davon abhängig, ob man 800 Meter, 5.000 Meter
        oder Marathon vorbereitet! Darauf geht beispielsweise
        viel praxisnäher meine Tabelle im "Großen
        Laufbuch" auf
        Seite 96 ein. Außerdem kommen individuelle Komponenten
        hinzu: Wie viel halten die Knochen des Athleten
        eigentlich aus? Wie schnell erholt er sich? Und das ist
        auch wiederum abhängig von seinem (Trainings)Alter und
        Talent. Hat jemand noch nie Intervalltraining oder
        Tempoläufe gemacht, kann man damit zunächst natürlich
        schnelle (Strohfeuer-) Fortschritte erzielen... logisch!
        Aber die Intensität bleibt nur
        das Salz in der Suppe und die besteht nun mal in
        der Summenbilanz überwiegend aus Wasser, also
        Grundlagenausdauertraining. Mit Grundlagentraining
        vollkommen ohne (HIT) Intervalltraining kann man einen
        Marathon gut schaffen, mit einigen zusätzlichen
        Intervall- und Tempoeinheiten wie in meinen Plänen
        gewürzt, sogar noch besser laufen, aber bei nur
        anaeroben Intervalleinheiten (HIIT) kriegt der Mann mit
        dem Hammer ordentlich Arbeit!!! Hilfe - ihr Sportmediziner! Wo ist die orthopädische Schwelle?! Die Autoren weisen zurecht
        darauf hin, und das ist aber auch schon wieder trivial,
        dass ein HIIT oder HIT seine orthopädischen
        Grenzen hat. Leider ist die konkrete
        Durchführung des HIT/HIIT ziemlich nebulös: Man soll
        also öfters mal statt hoher Grundlagen-Ausdauerblöcke,
        hohe Intensität an der VO2max und Intensitätsblöcke
        einstreuen, aber auf die Knochen aufpassen! Das ist
        wieder nix Neues! Wieviel HIIT/HIT geht und was und wie
        überhaupt? Dazu schweigen die Autoren leider ziemlich.
        Schwammig auch: geht's eigentlich um 800 Meter oder
        Marathon? Entscheiden tun letztlich die Knochen. Daher
        wäre es für Sportmediziner wichtiger, statt
        anaeroben Schwellen und VO2-maxen für das Training mal
        die "Orthopädische Schwelle" zu ermitteln.
        Das Messen "anaboler Marker" und
        "Ruhe-Herzfrequenz" wird im Consensus Papier
        empfohlen, das mag bei Übertraining helfen, sagt aber
        wenig über den passiven Bewegungsapparat aus! Diese
        Prognose hat aber noch kein Mediziner hinbekommen. Ich
        schlage daher für das präventive Voraussagen
        der "Orthopädische Schwelle" den sportmedizinischen
        Nobelpreis
        vor! Sie selbst finden das als Athlet für sich bis heute
        ganz einfach raus: nämlich, wenn Knie oder Achillessehne
        weh tun, dann war es zuviel!!!.... Alte Weisheit, aber
        noch immer seit der Steinzeit gültig! Wieviel
        Intensität also wirklich geht, sagen einem die Knochen,
        das Körpergefühl und die eigene Erfahrung oder die
        eines guten Trainers! Die sportmedizinische
        Planwirtschaft hilft da kaum weiter. Weder
        "nur Dauerlauf", noch zuviel Tempotraining,
        unsinnigerweise auch noch "Qualität" genannt
        oder auch HIIT/HIT sind die Lösung, sondern wie gesagt die
        Mischung macht es! In meinen Plänen in meinen
        Büchern kommt selbstverständlich schon immer "HIIT
        und HIT" vor. Z.B. die Intervalltrainings,
        Tempodauerläufe, Testwettkämpfe, die wir früher nicht
        "HIT" nannten, sondern letztere einfach
        "Rohrputzer!" Oder im langfristigen Aufbau auf
        Marathon ist intensitätsorientiertes Training
        als Tempo-Block eingeplant: Lesen Sie mal im "Großen
        Laufbuch"
        S.168ff das Kapitel: "Vorbereitung auf den Herbst
        Marathon". Da haben Sie einen "HIIT-Block"
        zur Verbesserung der 10km Unterdistanz im Vorfeld des
        Marathontrainings ;-)).  Für Marathon Fleiß mit mehr aerobem HIT als anaeroben HIIT ;-)) Nun konkreter zurück zu Ihnen: Dass Sie mit der bei der Kälte gewagten Januar-Tempospritze (4x4 Minuten = ca. 4x 1000m bei 90-95maxHF) nach nur 1,5 Jahren Trainingsalter einen neuen Reiz gesetzt haben, bezweifle ich gar nicht. Im April bis Juni wäre das im Hinblick auf Luzern im Oktober aber passender. Sie werden aber ohnehin in den nächsten zwei Jahren noch besser werden! Für nur zwei- bis dreimal Training pro Woche haben Sie offensichtlich auch etwas Talent, wenn Sie damit 1:45 laufen können. Sicherlich profitieren Sie auch ganz klar von den 20-28 Kilometer Läufen und nicht nur von der Intensität! Für den Luzern Marathon und zur Marathonvorbereitung allgemein sind meines Erachtens die Tempodauerläufe deutlich wichtiger als die anaeroben Intervalle, die gelegentlich durchaus vorkommen können. Natürlich bin ich überzeugt, dass Sie mit 4x Training/Woche noch deutlich besser laufen könnten! Wenn Sie es aber schon mit wenig Zeitaufwand probieren wollen, dann laufen Sie einmal die Woche ca. 10 (anfangs 5 später 15) km im 80-85% HFmax Bereich! Beachten Sie allerdings, wie in meinen Plänen vorgesehen, dass sich das Training natürlich auf den Wettkampf hin steigern muss! Ich bleibe dabei, für Marathon muss auch der Umfang stimmen. Und noch eine Anmerkung zum Zeitmanagement: die meisten Intervalleinheiten mit Ein- Auslaufen, Steigerung, Gymnastik, Dehnen, Trabpausen usw. dauern länger als ein Dauerlauf!!! ;-)) Viel Glück (und Fleiß!?) auf dem Weg nach Luzern und sportliche Grüße nach Solothurn, wo ich 1984 mal einen 25 Kilometer Länderkampf bestritten habe (gegen bzw. mit u.a. Richard Umberg ;-)) Herbert Steffny | 
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