Marathon 2006 - Bilanz und Statistik

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Nationale und internationale Marathonbilanz 2006
Grenzen des Wachstums


Autor, Copyright: Herbert Steffny - 24.12.2006
Sie dürfen gerne hierhin verlinken

 

Übersicht:

Die Marathonlandschaft in Deutschland

Im Jahr 2006 gab es in Deutschland knapp 160 Marathons. Das Laufmagazin SPIRIDON listet im Dezemberheft alljährlich eine "Hitparade" der deutsche Marathonläufe. Nach den Kriterien: Finisherzahl, Frauenanteil, Siegerzeiten, Läufer unter 3:00 Stunden und Organisationsnote bestätigen der Berlin und Hamburg Marathon mit Platz 1 und 2 eine klare Sonderstellung von internationalem Format. Danach folgt Köln ganz knapp vor dem Frankfurt Marathon. München kann zwar bei den Teilnehmerzahlen mithalten, setzt aber trotz der Integration der Deutschen Marathonmeisterschaft offensichtlich bewußt nicht auf den internationalen Leistungsvergleich.

Analysiert man die Zahlen genauer, so erreichten bei 23 Marathons über 1.000 Teilnehmer das Ziel. Bei diesen größeren Veranstaltungen, die nachfolgend eingehender betrachtet werden, gab es insgesamt 106.195 Finisher. Allein bei den fünf größten Marathons kamen 73.271 Läufer ins Ziel. Zu den größeren Veranstaltungen könnte man auch noch deutsche Marathonläufer im Ausland hinzuziehen. So kamen alleine 2.432 Deutsche beim derzeit weltgrößten Marathon in New York (37.936 Läufer) ins Ziel. Das sind immerhin 6,4 Prozent aller Finisher! In Stockholm kamen rund 850 (6,6%), in Luxemburg mit über 500 rund ein Viertel und in London dagegen nur 299 Deutsche (knapp 1%) ins Ziel. Allerdings ist bei den hiesigen Marathons zu berücksichtigen, dass die Zahlen nicht nur deutsche, sondern auch ausländische Teilnehmer und natürlich auch Mehrfachstarts einer Person beinhalten. Alleine in Berlin sind mit 10.917 über ein Drittel der Finisher Ausländer, allen voran 2.389 Dänen. Somit ist die Zahl der deutschen Marathonläufer nicht ganz einfach auszumachen. Es dürfte sich aber um rund 100.000 handeln, die in diesem Jahr wenigstens einen Marathon gelaufen sind. Das wären 0,14 Prozent der Bevölkerung, bzw. jeder 800ste Deutsche wäre 2006 ein Marathon gelaufen. Zum Vergleich: in den USA gab es bei 300 Millionen Einwohnern 2006 rund 397.000 Teilnahmen bei ca. 350 Marathons. Darin sind aber auch Mehrfachteilnahmen und Ausländer enthalten. Schätzt man daraus die Zahl der US-Läufer auf vielleicht 200.000, so lief nur jeder 1.500ste Amerikaner 2006 einen Marathon.

Deutsche Freizeitläufer laufen Marathon schneller

Die mittlere Marathonlaufzeit war 2006 in den USA 4:45:29 (Männer 4:31:26, Frauen 5:06:36). In Deutschland wird im Durchschnitt deutlich schneller gelaufen (siehe Tabelle nebenan)! In Berlin benötigten die Männer im Mittel 4:07:36, die Frauen 4:35:01, die mittlere Zielzeit war trotz warmen Wetters am Brandenburger Tor 4:13 Stunden, (2005 4:08 Stunden). In London kamen in diesem Jahr 50 Prozent der Läufer nach 4:20 Stunden ins Ziel und in New York in 4:22 (2005 bei Wärme 4:38 Stunden), wobei die Männer 2006 bis zum Central Park durchschnittlich 4:13:31 und die Frauen 4:38:55 brauchten. Wesentlich schneller ist bei uns Frankfurt: 2006 mit durchschnittlich 4:00:33 Stunden (2005 sogar 3:58, es war kühler) und historisch 1985 sage und schreibe 3:23 Stunden (!) bei damals rund 7.296 Finishern. Früher war die Marathonszene wesentlich leistungsorientierter. Fast alle Läufer waren Mitglieder in Vereinen (näheres dazu hier). Eine Rolle spielen im historischen und internationalen Vergleich aber auch die längeren Zielöffnungszeiten (v.a. in den USA) und der höhere durchschnittliche (langsam laufendere) Frauenanteil von 40 Prozent bei den amerikanischen Marathons.

SPIRIDON Marathon
Hitparade 2006:

1. Berlin 37,8 Punkte
2. Hamburg 34,7 Punkte
3. Köln 26,7 Punkte
4. Frankfurt 26,2 Punkte
5. München 22,5 Punkte
6. Düsseldorf 18,3 Punkte
7. Münster 17,5 Punkte
8. Bonn 16,9 Punkte
9. Karlsruhe 16,9 Punkte
10. Mainz 16,6 Punkte

(Quelle: Spiridon Magazin 12/2006)

 

 

Mittlere Zielzeiten 2006
(50% im Ziel)
bei einigen Marathons
im Vergleich

Ort

Männer

Frauen

Frankfurt

3:57:22

4:19:56

Köln

4:03:32

4:26:18

Berlin

4:07:36

4:35:01

New York

4:13:31

4:38:55

USA 2006

4:31:26

5:06:36

 

Frauen beim City Marathon auf dem Vormarsch

Der Frauenanteil nahm international und bei den deutschen Marathons in den letzten Jahrzehnten stetig zu. Beendeten beispielsweise in Berlin 1983 nur 4,6 Prozent Frauen den Marathon, so ist dieser Anteil mittlerweile auf 20,2 Prozent angestiegen (siehe Grafik unten). Die Frauen suchen sich die Marathons etwas selektiver aus, die großen Stadtmarathons sind offenbar am attraktivsten, (wohl auch wegen des Rahmenprogramms, was die Stadt sonst zu bieten hat, zudem sind die Teilnehmerfelder dort auch weiter hinten noch dichter. "Frau" läuft eben nicht gerne alleine hinterher. Bemerkenswert ist, dass sich unter den fünf Marathons mit der niedrigsten Frauenbeteiligung immerhin drei bayrische Marathons befinden. Lediglich der München Marathon macht hiervon eine erfreuliche Ausnahme.

Die durchschnittliche Teilnehmerinnenquote ist bei den hier analysierten 23 größten Marathons im Jahr 2006 bei 18,2 Prozent angelangt. Im internationalen Vergleich sind die Zahlen z.T. wie in den USA erheblich höher. London hat einen Frauenanteil von 30,6 Prozent. In New York sind es rund ein Drittel, in Chicago sogar 43,8 Prozent und beim Honolulu Marathon mit 47,5 Prozent fast die Hälfte! Analysiert man "außer Konkurrenz" die deutschen New York Marathon Teilnehmer, so findet man hier mit 27,5 Prozent den Marathon mit der höchsten deutschen Frauenquote, danach folgt mit 26 Prozent der Urlaubsmarathon in Honolulu (siehe Tabelle nebenan). Bei den deutschen Marathons besteht in den nächsten Jahren noch ein erheblicher Nachholbedarf (siehe dazu auch unser neustes Buch "Marathontraining für Frauen").

Deutsche Marathons nach Teilnehmerinnenquote:

Frauenanteil
am höchsten:

Frauenanteil
am niedrigsten:

1.Berlin 20,2% 1.Hannover 12,2%
2.München 19,4% 2.Würzburg 12,8%
3.Köln 19,3% 3.Regensburg 13,4%
4.Hamburg 19,1% 4.Essen 13,9%
5.Düsseldorf 17,3% 5.Ulm 13,9%


außer Konkurrenz:
Frauenanteil an
deutschen Teilnehmern bei
internationalen Marathons:

  • New York 27,5% (von 2432)
  • Honolulu 26,0% (von 154)
  • Stockholm 22,1% (von 869)
  • Chicago 21,6% (von 185)
  • Boston 18,9% (von 228)
  • London nur 18,1% (von 299)

Quelle: www.herbertsteffny.de

Berlin Marathon Teilnehmer Entwicklung und Frauenanteil in Prozent

Die nebenstehende Grafik zeigt am Beispiel des Berlin Marathons die Entwicklung und den Laufboom der letzten Jahrzehnte. Seit Anfang und Mitte der 80er Jahre finden die Marathons zunehmend in der City statt. Frankfurt ist der älteste noch existierende Stadtmarathon in Deutschland, der bis 1985 (letzter "Höchst Marathon") die Nummer eins in der Leistungsspitze und -Dichte in Deutschland war. Berlin übernahm das Zepter als Frankfurt 1986 ausfiel. In der Folge war eine stetige Zunahme der Finisher zu verzeichnen, die zunächst mit einem Teilnehmergipfel 1990 (im Jahre der Wiedervereinigung) einen vorläufigen Höhepunkt fand. Erst Mitte der 90er Jahre stiegen die Zahlen wieder als Ausdruck des Marathonbooms der Freizeitläufer. Der Frauenanteil stieg dabei kontinuierlich von 4,6 auf 20,2 Prozent. Die Stagnation um knapp über 30.000 Finisher liegt ähnlich wie in New York oder London an der organisatorischen Kapazitätsgrenze, weniger an der mangelnden Nachfrage.

Auch Marathonbäume wachsen nicht in den Himmel

Marathonboom, Laufen ist "in"! So tönt es allenthalben durch die Medienlandschaft. Das ist nicht ganz falsch, aber manche Angaben und Zahlen sind vollkommen überzogen, womit ich mich in Kürze in einem anderen Artikel ausführlich beschäftigen möchte. Die neusten Zahlen zum Laufboom besagen sogar, dass wir in Deutschland 19.000.000 Läufer haben sollen. Donnerwetter, 19 Millionen! Ja aber wo laufen sie denn? Umgerechnet auf die Bevölkerung sei folgende Frage erlaubt: läuft (synonym"rennt", = kurze Flugphase, ohne Bodenkontakt ;-)) in Ihrer Nachbarschaft wirklich fast jeder Vierte? (ich meine also nicht in der Stadt umher"laufen"...). Auch die Teilnehmerzahlen bei Marathonläufen werden heute im engen Wettbewerb um die Gunst der Medien und Sponsoren von nicht wenigen Veranstaltern oder ihren Agenturen marktschreierisch hochgeschönt. Da werden schon mal Rahmenveranstaltungen zu den Marathonteilnehmern hinzugezählt: Kinderläufe, Inliner-Wettbewerbe, Halbmarathons oder Minimarathons. In der Tat ist bei diesen Veranstaltungen Wachstumspotential und so kommen Schlagzeilen wie z.B. "60.000 bei Berlin-Marathon" zustande (siehe nebenan). Reduziert man aber das Läuferfeld nur auf die wirklichen "42,195 Marathonläufer" und dann von den Angemeldeten über Gestartete auf letztlich im Ziel angekommene Läufer, und nur diese "Finisher" zählen bei einem objektiven Vergleich, so schrumpft das tatsächliche Läuferfeld ernüchternd auf die Hälfte. Fazit: Der Marathonmarkt ist auf hohem Niveau nahezu ausgereizt.

Zuwachspotential - Marathonlauf oder Volkswanderung?

Zwar kommen immer noch neue Marathons hinzu, aber die Kapazitätsgrenze scheint mittlerweile erreicht. Nur einige mutige Veranstalter wie Kassel und St. Wendel oder Luzern in der Schweiz, betreten 2007 die Marathonszene zum ersten Mal. Rund ein Drittel der 23 größeren deutschen Marathons verzeichnete wie Frankfurt oder Hamburg noch (leichte) Zuwächse, die meisten Veranstaltungen stagnieren teilweise auf hohem Niveau oder haben bereits Rückgänge an Teilnehmern (wie München trotz Integration der Deutschen Meisterschaft!) oder Köln zu verbuchen. Andere wie der Ruhr Marathon mussten dieses Jahr (mangels Sponsoren) sogar passen. Halten werden sich nur noch Marathons, die nachhaltig ein qualitativ hohes Organisationsniveau bieten können oder sich innovationsfreundlich zeigen. Raum für neue Marathons in der Szene haben noch attraktive Städte oder Regionen mit einem breitem Ausdauersport- und Leichtathletik-Umfeld und einem potentiellen Sponsorenpool, wie beispielsweise Stuttgart. Ein Stuttgart Marathon dürfte aber anderen süddeutschen Veranstaltungen wiederum Teilnehmer abknöpfen. Das Zuwachspotential dürfte meines Erachtens nicht nur beim Frauenanteil liegen, sondern selbstverständlich auch bei den ganz langsamen Läufern oder Walkern. Ist das Ziel nur lange genug offen, dann ist dabei sein alles. Die amerikanischen Marathons machen uns das bereits jetzt schon vor. In New York wird man auch nach 10 und in Honolulu noch nach 15 Stunden gewertet. Fragt sich nur für was: einen Marathonlauf oder eine Volkswanderung? Das gab's bei uns schon immer... In den USA konnten trotz Zunahme der Veranstaltungen von 320 (2005) auf 350 Marathons (2006) gleichzeitig auch eine Zunahme der Finisher von 383.000 auf 397.000 registriert werden. Das ist ein Zuwachs von 3,8 Prozent! Davon kamen genau 30 Prozent über 5:00 Stunden ins Ziel. Immerhin noch 10,8 Prozent aller Finisher benötigen mehr als 6:00 Stunden. Das darf man getrost schon eher als "Walking mit Laufpassagen" bezeichnen. Zum Vergleich: in Berlin liefen nur 1,2 Prozent der Finisher langsamer als 6:00 Stunden und 15,3 Prozent über 5:00 Stunden.

Zahlenspiele:

"60.000 bei Berlin-Marathon",
Nanu? Aber "nur" 30.181 erreichten
als Marathonläufer das Ziel.

(video-text rbb 23.9.2006)

Die internationale Marathonszene 2006

2006 haben sich die großen fünf Marathons (Boston, London, Berlin, Chicago und New York) zu den World Major Marathons zusammengeschlossen. Dabei geht es um ein gemeinsames Vermarktungskonzept, in der Hoffnung wie die "Grand Slam Turniere" im Tennis oder die "Champions League" im Fussball eine Art "Oberliga" zu schaffen. Spektakulär sind die ausgelobten Preisgelder von einer Millionen Dollar, die der/die Beste über eine Zweijahreswertung verdienen kann. Ziemlich happig bis heftig sind vielleicht auch dadurch die Startgelder für die Teilnehmer an diesen Top-Marathons geworden. Sportlich führte es aber in Chicago und New York zu einem gegenseitigen Belauern und schlechteren Zeiten oder zu einem Überraschungssieg (Marilson Gomes in New York), denn keiner der Favoriten wollte dem anderen der Wasserträger oder Hase sein.

Bei den vier schnellsten deutschen Marathons (Berlin, Hamburg, Frankfurt, Köln) erzielten die Äthiopier vier von acht möglichen Siegen bei den Männern und Frauen. Die sieggewohnten Kenianer aber nur einen! Allgemein zeigte sich 2006 auch international ein Vorprechen der Äthiopier in die kenianische Marathon Domaine. Im Vergleich zu 2005 (und 1985) beherrschen die Afrikaner bei den Männern mit 25 Läufern auch 2006 die Top-30-Weltbestenliste (siehe Grafik unten). Statt 23 sind es aber nur noch 18 Kenianer. Die Europäer, Asiaten und Amerikaner (der US-Amerikaner Khalid Khannouchi kommt allerdings aus Marrokko) plazierten sich wie 2005. Die Äthiopier konnten weltweit im Vergleich zum Vorjahr mehr große City Marathons gewinnen. Aushängeschild ist v.a. Haile Gebrselassie, der den Umstieg von der Bahn nun vollends erfolgreich vollzogen hat, aber auch Gete Wami und Berhane Adere (s.u.) bei den Frauen. In der Weltbestenliste der Frauen zeigt sich 2006 ein anderes Bild. Dominierender Kontinent ist Europa (v.a. Läuferinnen des ehemaligen Ostblocks), und Asien (v.a. Japanerinnen) noch vor den Afrikanerinnen. Bei den Frauen verteilen dich die Top 30 Platzierungen auf 13 Nationen, bei den Männer nur auf 9. Auffallend ist erneut, dass in Japan und Russland die Frauen wesentlich mehr Top-Plazierungen als ihre Landsmänner erzielten, während das bei den Kenianern und Marrokkanern umgekehrt ist. Hier dominieren die Männer.

Marathonweltbestenlisten nach Kontinenten (s.Text oben):

Statistiken:

Ewige Weltbestenlisten Marathon

Weltbestenliste Marathon 2006

Deutsche Bestenlisten 2006

Alle Marathons von

Haile Gebrselassie (ETH)
Durchschnitt seiner drei
schnellsten Marathons

2:06:17

3. London 2002 2:06:35
1. Amsterdam 2005 2:06:20
9. London 2006 2:09:05
1. Berlin 2006 2:05:56
1. Fukuoka 2006 2:06:52

schneller waren bisher:

Paul Tergat (KEN)
Durchschnitt seiner 3
schnellsten Marathons

2:05:40

1. Berlin 2003 2:04:55
2. London 2002 2:05:48
4. Chicago 2002 2:06:18

Khalid Khannouchi (USA)
Durchschnitt seiner 3
schnellsten Marathons

2:05:45

1. London 2002 2:05:38
1. Chicago 1999 2:05:42
1. Chicago 2002 2:05:56

Sammy Korir (KEN)

Durchschnitt seiner 3
schnellsten Marathons
2:06:07

2. Berlin 2003 2:04:56
1. Rotterdam 2006 2:06:38
2. London 2004 2:06:48

Evans Rutto (KEN)

Durchschnitt seiner 3
schnellsten Marathons
2:06:08

1. Chicago 2003 2:05:50
1. Chicago 2004 2:06:16
1. London 2004 2:06:18

Läufer des Jahres 2006:

Männer

National: Jan Fitschen, der durch seinen Kampfgeist und beherzten Weltklasse-Endspurt überraschend 10.000 Meter Europameister wurde. Aus der fast nicht mehr existierenden Männer Marathonelite gefiel mir nur Mario Kröckert, der im Alleingang beim Essen Marathon siegte. Wenn man bedenkt, dass Uli Steidl die Jahresbestzeit auf einem Kurs mit Gefälle gelaufen ist, war Kröckert eigentlich auch Jahresschnellster. Die Zeit, die dafür reicht, ist immerhin schneller als im Vorjahr (2:18:43), aber meilenweit von wirklich internationaler Klasse entfernt. Näheres dazu weiter unten.

International: für mich auf der Langstrecke ganz klar: Haile Gebrselassie! Der Äthiopier stellte bereits im Januar in Phoenix/USA einen neuen Weltrekord über Halbmarathon mit 58:55 Minuten auf. Beim Marathon lief er nicht nur bei seinem souveränen Sieg in Berlin mit 2:05:56 nach 2005 erneut die Weltjahresbestzeit und überzeugte damit selbst die ersten Zweifler nach seinem neunten Platz in London, sondern gewann auch noch im Dezember in Fukuoka mit 2:06:52 wieder in einer Weltklassezeit. Mittelt man die jeweils drei besten Marathonzeiten eines Läufers, so steht der Äthiopier allerdings noch hinter Paul Tergat, Khalid Khannouchi, Evans Rutto und Sammy Korir, die bisher einen schnelleren Duchschnitt als Haile gelaufen sind (siehe Randspalte weiter oben). Immerhin ist Gebrselassie nach dieser Saison endgültig in der Marathon-Oberliga angekommen. Was ihm hier noch fehlt ist der Weltrekord und ein Titel und so ist sein erklärtes Ziel der Marathonlauf bei den olympischen Spielen 2008 in Peking. Sein großes Vorbild Abebe Bikila hat das Kunststück fertig gebracht, zweimal in Rom (1960) und Tokio (1964) jeweils mit Weltrekord Olympiasieger zu werden. Das wird Haile nicht mehr toppen können.

Beeindruckt hat mich in diesem Jahr auch der Meisterschaftsfuchs Stefano Baldini. Der Italiener war bei den Marathon Europameisterschaften wieder wie bei seinem Olympiasieg 2004 auf den Punkt fit und sicherte sich den Titel. Der Kenianer Paul Kipkoech Cheruiyot konnte 2006 Boston (2:07:17) und Chicago (2:07:35) gewinnen und führt souverän in der Wertung der World Majors. Der 28jährige ist den Dollar Millionen bisher am nächsten. Hailes Landsmann Ambesse Tolossa konnte 2006 drei Marathons von Format gewinnen (Tokio, San Diego und Honolulu). Sensationell war auch im Frühjahr der fünfte Doppelsieg in Folge (Mittel- und Langstrecke) bei den immer erstklassig besetzten Crossweltmeisterschaften durch den neuen äthiopischen "Wunderläufer" Kenenisa Bekele. Er wurde 2006 auch Hallenweltmeister über 3000 Meter und war 2004 Doppelolympiasieger über 5.000 und 10.000 Meter. Er hält als würdiger Stadion-Oval-Nachfolger von Haile Gebrselassie auch die Weltrekorde über diese Distanzen. Den Kenianern und Äthiopiern machte Zersenay Tadesse aus Eritrea immer wieder das Siegen schwer. So holte sich der 24jährige den Weltmeistertitel im Straßenlauf über 20 Kilometer und testete mit 59:16 bereits den Halbmarathon Weltrekord an.

Haile Gebrselassie - für mich Marathonmann des Jahres 2006
Haile Gebrselassie hat auch beim
Straßenlauf gut lachen.
(Foto: Herbert Steffny)

In eigener Sache:

Es war mir eine Ehre diesen sympathischen "Wunderläufer", dessen Ausstrahlung und Witz ich als Journalist persönlich bereits seit der Leichtathletik-WM in Stuttgart 1993 kenne, beim Berlin Marathon im ARD Fernsehen zu kommentieren. Nur selten bekommt man als Reporter die Chance vielleicht einen Marathon Weltrekord live mitzuerleben. Im Alleingang scheiterte sein Unterfangen nur knapp...

Frauen:

National: Hier muss man auch nicht allzu lange überlegen: Ulrike Maisch. Sie nutzte bei den Europameisterschaften die Gunst der Stunde und holte sich taktisch klug laufend den Titel, womit niemand gerechnet hatte. Dieser Erfolg kann ihr natürlich zur Last werden, denn die bisher von ihr gelaufenen Zeiten hinken der Wertigkeit des internationalen Titels eigentlich hinterher. Für ihren Erfolg aber gilt: Titel ist und bleibt Titel, Zeiten sind vergänglich! Luminita Zaituc siegte beim Düsseldorf und Köln Marathon und lief die deutsche Jahresbestzeit (brutto 2:28:30 IAAF, netto 2:28:24 DLV in Köln). Das ist Platz 48 der Weltbestenliste 2006. Sie patzte leider bei den Europameisterschaften, denn das hätte ihre Meisterschaft werden können, denn EM-Silber hatte sie schon 2002 in München erlaufen. Gefallen konnten auch Irina Mikitenko und Sabrina Mockenhaupt, die sich auf der Bahn und beim Halbmarathon beharkten und gegenseitig zu guten Leistungen trieben (sogenannter "Zickenkrieg"). Beide Rivalinnen haben für 2007 ihren Marathoneinstand angekündigt. Da darf man gespannt sein, denn trotz des Europameisterschaftstitels von Ulrike Maisch: die Dichte der Elite Marathonläuferinnen ist in Deutschland eher kleiner und der zeitliche Abstand zur Weltspitze größer geworden.

International: Hier habe ich keine echte Favoritin. Die Krone geht für mich an ein Team, denn die Äthioperinnen sind gewaltig auf dem Vormarsch. Die Britin Paula Radcliffe machte eine Babypause (Ihre 3 besten Marathons in der Randspalte nebenan). Die Lücke nutze die US-Amerikanerin Deena Kastor mit Weltjahresbestzeit in 2:19:36 und US-Rekord in London, patzte aber als Favoritin ausgerechnet vor heimischem Publikum in New York. Die Äthiopierinnen Gete Wami und Berhane Adere jagten sich über die ganze Saison gegenseitig letztlich zu neuen nationalen Marathonrekorden bei ihren Siegen in Berlin und Chicago. Die 10.000 Meter Weltmeisterin von 2003 Berhane Adere wurde schließlich drittschnellste Marathonläuferin in diesem Jahr. Auf den kürzeren Strecken waren es ebenfalls die Äthiopierinnen Mesert Defar (2006 u.a. 3000 Meter Hallenweltmeisterin, 5000 Meter Weltcupsiegerin und Weltrekordlerin in 14:24:53) und Tirunesh Dibaba (u.a. 2006 Crossweltmeisterin), die sich bei den Grand Prix Sportfesten die Siege über 3.000 und 5.000 Meter teilten. Von den Kenianerinnen konnte mich nur Lornah Kiplagat überzeugen. Sie wurde allerdings für die Niederlande startend Weltmeisterin im 20 Kilometer Strassenlauf.

Ulrike Maisch - Die erfolgreichste deutsche Läuferin 2006
Auch Ulrike Maisch durfte sich über Überraschungsgold bei der
Europameisterschaft freuen.
(Foto: Herbert Steffny)

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Nachzutragen wären noch die
drei schnellsten Zeiten von:

Paula Radcliffe (GBR)

Durchschnitt ihrer 3
schnellsten Marathons
2:16:48

1. London 2003 2:15:25
1. Chicago 2002 2:17:18
1. London 2005 2:17:42
Trostlos - deutsche Männer Marathon "Elite"

Das unter den deutschen Marathonläufer die Männer international immer weiter hinterher hinken, habe ich schon in einem anderen Artikel in der Vergangenheit ausführlich dargestellt und diskutiert. In der Hoffnung, dass jeder (negative) Trend vielleicht einmal ein Ende findet, habe ich natürlich hoffnungsvoll die Entwicklung auch 2006 weiter verfolgt. Das Resultat ist aber ernüchternd. Das Leistungsniveau bleibt auf dem Stand der 60er Jahre. Während sich die Welt weiter entwickelt, werden unsere Läufer immer schlechter! An den Genen kann das wirklich nicht liegen. Ich habe das in der nachfolgende Grafik veranschaulicht. Sie stellt in einer historischen Betrachtung der deutschen Jahresbestzeit ab 1970 (blaue Punkte) die jeweiligen Weltjahresbestzeit (rote Punkte) gegenüber. Man sieht deutlich wie seit Ende der 90er Jahre das internationale und das nationale Niveau immer weiter auseinander klaffen. Mittlerweile trotten unsere schnellsten Läufer über 10 Minuten hinter der Weltspitze her. Unsere Besten stehen etwa auf Platz 600 der Weltbestenliste.

Die nachfolgende folgende Grafik spricht traurigerweise für sich....

 


Erläuterung siehe Text oben

 

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