Boston Marathon 2018
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Autor und Copyright: Herbert Steffny
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"Yuki-Kawauchi-Wetter" beim Boston Marathon
Japaner und Desiree Linden trotzen Sauwetter in Boston
(von Herbert Steffny 16.4.2018)

Inhalt:
Marathon bei Regen
Das wünscht sich kein Marathonläufer: kalter Dauerregen bei heftigem Gegenwind! in Boston
(Foto, Copyright Herbert Steffny)



In den letzten Jahren dominierten die Afrikaner beim Boston Marathon. Aber sie sind schlagbar, wenn das Wetter mithilft. So geschehen beim diesjährigen Boston Marathon, wo so ziemlich die miesesten Bedingungen herrschten, die man sich für einen Marathon wünscht. Die mental und physisch härtesten Kämpfer Desiree Linden aus den USA und der Japaner Yuki Kawauchi holten sich Überraschungssiege in der Boylston Street.



Saumäßige Wetterbedingungen

Nicht wenige Eliteläufer erhoffen sich zum Start in Boston die dort möglichen Traumbedingungen: 136 Meter Gefälle – wenn auch wellig, aber eben bergab - mit einem von hinten treibenden Westwind auf diesem Punkt zu Punkt Kurs. So geschehen z.B. als Uta Pippig ihre (offiziell nicht anerkannte) Zeit von 2:21:45 Stunden 1994 bei ihrem Sieg lief. Der Kurs, den ich selbst 1996 als Sieger der Masterswertung bei 100. Jubiläum mitlief, hat so seine Tücken und dieses Mal spielte das Wetter einfach nicht mit. Im Gegenteil In Kenia würde man sagen: „this race separated the boys from the men!“

Bei saumäßigen Bedingungen – anders kann man es nicht bezeichnen – Temperaturen knapp über Null Grad, kaltem Regen und rund 25 km/h Gegenwind wurde die 122. Auflage des Klassikers montags am Patriotsday gestartet. Als Rennbekleidung dominierten (Flatter-) Jacken, Regencapes, Mützen, Handschuhe, Ärmlinge und der US-Amerikaner und Mitfavorit Galen Rupp lief sogar vermummt wie ein Bankräuber mit einem Tuch vor dem Gesicht.

Kurzum es war ein Sch…wetter, was AfrikanerInnen schon gar nicht mögen und auch die Zuschauer standen im Vergleich zu den sonstigen Massen deutlich ausgedünnter an der Strecke. Nur eisenharte Typen dürften sich bei diesen auch mental widrigsten Bedingungen durchsetzen. Die amerikanischen Hoffnungen am Patriots Day lagen neben Galen Rupp auf der New York Marathon Siegerin Shalane Flanagan, Molly Huddle und Desiree Linden.


Vorzeitige Dominanz der Afrikanerinnen

Das eine halbe Stunde früher gestartete Rennen der 48 Elite-Frauen begann zunächst extrem verhalten auf eine 2:42 Stunden Zeit. Die Äthiopierin Mamitu Daska übernahm nach 10 Kilometern die Führung mit einem kleinen Vorsprung, ließ sich aber bald alleine im Gegenwind laufend wieder von der Verfolgergruppe aufsaugen. Halbmarathon wurde von den Damen bei 1:19:41 Stunden durchlaufen. Dann Schrecksekunde für die Amerikaner: Shalane Flanagan musste bei 23 Kilometern einen „Toilettenstopp“ einlegen und anschließend wieder rund 100 Meter aufholen. Das gab der hoch gehandelten Mitfavoritin offenbar den Rest.

Mamitu Daska die Dritte von New York 2017 und zweifache Frankfurt Siegerin  (2011und 2016,  Bestzeit 2:21:59 Stunden) setzte sich unterdessen vorne in einem zweiten Angriff erneut ab. In den Newton Hills vergrößerte die extrem armschlenkernde Äthiopierin ihren Vorsprung auf rund 150 Meter vor einer acht-köpfigen Verfolgergruppe in der sich nun die Kenianerin Gladys Chesire und Desiree Linden um das Tempo in der Verfolgung verdient machten. Bei 30 Kilometern (1:52:32 Stunden) hatte Daska immer noch 22 Sekunden Vorsprung, aber die Kenianerin kam mit Desiree Linden im Schlepptau näher und näher.


Desiree LindenDesiree Linden hat längeren Atem

Mamitu Daskas Schritte wurden im kalten Regen und Gegenwind nun zusehends schwerer und nach 34 Kilometern wurde die Ausreißerin, die unkonzentriert in den Kurven auch nicht mehr die Ideallinie laufen konnte, von Chesire gestellt und überholt. Auch Desiree Linden (Foto, Copyright Herbert Steffny - hier beim NYC Marathon) passierte die erschöpfte Daska und rannte bei 35 Kilometern auch an Gladys Chesire vorbei, der nun ebenfalls die Kräfte schwanden. Auf den letzten bergab führenden sieben Kilometern war die Boston-Zweite von 2011 in 2:22:38 Stunden (damals als Desiree Davila) nicht mehr einzuholen und lief dem ersten Sieg für eine US-Amerikanerin seit Lisa Weidenbach 1985 in der Frauenkonkurrenz entgegen. Das war am Patriots Day natürlich das i-Tüpfelchen.

Im Ziel wurde die hobbymäßige Whiskey-Sammlerin von ihrem Mann Ryan Linden fast zu Tode gedrückt und lief dann ihrer Jacke entledigt im Trikot mit dem Stars & Stripes Banner eine Ehrenrunde entlang des Zuschauerspaliers. Ihre Zeit von 2:39:54 Stunden war die langsamste Zeit seit 1978 als Gayle Barron (USA) in den damaligen Amateurzeiten in 2:44:52 Stunden gewann. Hinter ihr war erst mal über vier Minuten Pause, fast alle hochdekorierten Afrikanerinnen stiegen vorzeitig aus, so dass sich die Zweite Sarah Sellers (USA, 2:44:04 Stunden) in einem extrem gleichmäßigen Rennen und die Kanadierin Krista Duchene (2:44:40 Stunden) als Siegerin der Masterswertung mit Linden das Podest teilten. Ein Triumph für die Außenseiterinnen.








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Yuki KawauchiYuki Kawauchis Schnellstart

Bei den Männern, die mit der ersten Welle eine halbe Stunde später starteten, übernahm der japanische Kampfläufer Yuki Kawauchi zunächst die Führung und gab auf den ersten down-hill Meilen gleich richtig Gas. Yuki Kawauchi ist ein eisenharter Brocken! Ich erinnere mich noch wie er unter widrigsten Bedingungen bei Schneeregen und Graupelschauer 2016 den Zürich Marathon (Foto, Copyright Herbert Steffny) gewann und den Afrikanern dabei die Fersen zeigte. Ich war damals froh im Pressebus mitfahren zu können, statt an der Strecke als Reporter durchnässt zu frieren. Das hier in Boston waren offenbar die Bedingungen für den eisenharten Vielstarter (76 Marathons unter 2:20 Stunden!), der mit rund 50 Metern Vorsprung in 15:01 Minuten bei fünf Kilometer die Konkurrenz anführte.

In der Verfolgergruppe befand sich bis 10 Kilometer auch die deutsche Hoffnung Arne Gabius, der aber dann vom Monitor verschwand. Nach sieben Kilometern schloss der Kenianer Evans Chebet zu Kawauchi auf. Das Duo wurde aber nach acht Kilometern bereits wieder aufgesaugt. Die neu formierte Spitzengruppe passierte die 10km-Marke dank Kawauchis Tempodiktat in erstaunlich schnellen 30:15 Minuten, eine Pace für noch knapp unter 2:10 Stunden. Eigentlich unmöglich an diesem Tag.

Bei 13 Kilometern übernahm Felix Kandie (4. in Berlin 2017) zeitweilig die Führung. Erstaunlich: auch Mastersläufer Abdi Abdirahman (USA) lief noch in der Spitzengruppe mit. Nach 20 Kilometern zeigte sich Yuki Kawauchi (Bestzeit 2:08:14 Stunden, Seoul 2013) erneut an der Spitze. Die Halbmarathon Marke passierte eine rund 10-köpfige Gruppe dann aber gemeinsam in 1:05:59 Stunden. Nun zeigte sich Titelverteidiger und Weltmeister Geoffrey Kirui aus Kenia in vorderster Front und machte einen starken Eindruck. Aber auch Landsmann Felix Kandie und immer wieder Yuki Kawauchi  scheuten sich nicht die Arbeit im Gegenwind zu machen, während der US-Amerikaner Galen Rupp sich stetig hinten im Windschatten aufhielt.

Titelverteidiger kontert, aber Kawauchi jubelt zuletzt!

Der Japaner attackierte erneut bei 26 Kilometern, wurde dann aber wieder gestellt. Nun konterte Geoffrey Kirui breitarmig in seiner Fallschirm-artig bremsenden Flatterjacke laufend bei 28 Kilometern in den Newton Hills und erlief sich schnell einen Vorsprung von 100 Metern auf Kawauchi, Evans Chebet, Peter Rono und Co. Immer wieder umdrehend vergrößerte der 25-jährige Weltmeister seinen Vorsprung auf 1:30 Minuten auf den nun in zweiter Position laufenden Japaner, der sich seinerseits einen deutlichen Vorsprung erlaufen konnte. Es sah nun alles nach einer souveränen Titelverteidigung aus.

Yuki Kawauchi, dessen Name „der Couragierte“ heißt, war aber noch nicht geschlagen. Der mit einer hammerharten Psyche versehene 31-Jährige fightete sich wieder in Sichtweite des plötzlich erlahmenden Kenianers. Zwei Kilometer vor dem Ziel war es um Kirui geschehen, der regelrecht einbrach und nur noch Richtung Ziel joggen konnte. Seine Flucht hatte er vielleicht doch zu früh geplant? Auf der Zielgerade in der Boylston Street gab der Japaner trotz einer miesen Zeit und ohne Gegner im Nacken noch einmal alles, als ob es um jede Sekunde gehen würde. Erst nach dem Zieleinlauf in 2:15:58 Stunden feierte der Mann seinen bisher größten Triumph in Jubelpose. Mit dem damaligen Dominator der Marathonszene Toshihiko Seko gewann zuletzt 1981 in 2:09:26 Stunden ein Japaner in Boston. Rund zweieinhalb Minuten später trudelte der Weltmeister Kirui in 2:18:23 Stunden knapp vor dem US-Amerikaner Shadrack Biwott (2:18:35 Stunden) ein. Nahezu alle hochgehandelten Mitfavoriten inklusive Galen Rupp strichen die Segel.


Statistik und Deutsche

Unter den 25.741 Finishern mit einem hohen Frauenanteil von 45,1 Prozent Frauen trotzten bei den Deutschen Enrico Kuhn in 2:44:40 Stunden und Carla Knauer in 3:17:41 Stunden den widrigen Bedingungen am schnellsten.



Ergebnisse:

Männer:Frauen:
1 Yuki Kawauchi (JPN) 2:15:58
2 Geoffrey Kirui (KEN) 2:18:23
3 Shadrack Biwott (USA) 2:18:35
4 Tyler Pennel (USA) 2:18:57
5 Andrew Bumbalough (USA) 2:19:52
6 Scott Smith (USA) 2:21:47
7 Abdi Nageeye (NED) 2:23:16
8 Elkanah Kibet (USA) 2:23:37
9 Reid Coolsaet (CAN) 2:25:02
10 Daniel Vassallo (USA) 2:27:50
1 Desiree Linden (USA) 2:39:54
2 Sarah Sellers (USA) 2:44:04
3 Krista Duchene (CAN) 2:44:20
4 Rachel Hyland (USA) 2:44:29
5 Jessica Chichester (USA) 2:45:23
6 Nicole Dimercurio (USA) 2:45:52
7 Shalane Flanagan (USA) 2:46:31
8 Kimi Reed (USA) 2:46:47
9 Edna Kiplagat (KEN) 2:47:14
10 Hiroko Yoshitomi (JPN) 2:48:29






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